Eines der wenigen Bücher, in denen ich jemals gemarkert habe. Freilich nur die ersten Seiten... |
Ich gestehe es: Gelesen habe ich den Tractatus logico-philosophicus von Ludwig Wittgenstein tatsächlich ganz gerne. Darüber sprechen allerdings, nun das erspare ich mir im Regelfall: Das Gefühl, wenn überhaupt nur an der Oberfläche eines Verstehen gekratzt zu haben, birgt eine Unsicherheit, die mir das "darüber Schweigen" gebietet. Wenn ich also meinen Wittgenstein zur Hand nehme, lese ich ihn tatsächlicher eher wie Lyrik, zum Beispiel wie Rilke:
denn da ist keine Stelle, die dich nicht sieht.Zwei Sätze aus Rilkes Gedicht "Archaischer Torso Apollos", die für mich ebenso viel Geheimnis und Faszination enthalten, wie der Tractatus:
Du musst dein Leben ändern.
Die Welt ist alles, was der Fall ist.Das Problem ist freilich, dass Wittgenstein seine Texte nicht als Lyrik, sondern als radikale Sprachkritik formuliert hat. Umso mehr begeistert es mich aber, wenn M.A. Numminen den Text Wittgensteins aus der Logik der Sprache heraushebt und durch seinen Gesang in die Sphären des Sinnlichen überführt. Leider findet sich bei YouTube nur der siebente und letzte Satz des Tractatus, der aber durchaus einen Eindruck darüber verschaffen kann, wie M.A. Numminen diesen interpretiert:
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In der Philosophie versucht man im Regelfall etwas zu verstehen - die gleiche Vokabel nutzen wir aber auch im Zusammenhang mit Kunstwerken: "Ich verstehe nicht, was das soll, den Wittgenstein so komisch zu singen." Für mich ist diese Art mit dem Text umzugehen allerdings eine Aufforderung zum Schweigen: "Hör auf, über den Wittgenstein zu sprechen, erlebe ihn!" Im Gegensatz zu den Regeln der logischen Philosophie gibt es im Umgang mit Kunst kein wahr oder falsch. Die Wahrheit eines Kunstwerkes entsteht in der Begegnung mit dem Betrachter und kann dann, im hier und jetzt, ebenso viel Wert und Qualität haben, wie eine intensive Auseinandersetzung mit den Inhalten der Sprachphilosophie.
Zu kaufen gibt es den ganzen Tractatus gesungen und gedruckt. Live auf der dOCUMENTA (13) wird M.A. Numminen die "Tractatus-Suite" und "Fragen an Ludwig Wittgenstein" ein weiteres mal am 12. September performen.
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