09.07.2012

Tag 031: Helmpflicht!

Kunst ist gefährlich! Oder hat zumindest das Potential gefährlich zu sein. Aber das ist nicht der Grund für die Helmpflicht in einem der abgelegenen Ausstellungsorte der dOCUMENTA (13), sondern die reale Gefahr, sich den Kopf zu stoßen oder herunterfallende Steine abzubekommen. Eine Expedition in den Weinbergbunker.
Offen gestanden war es vielmehr der Ort als die dort zu erwartende Kunst, die mich dazu veranlasst hat, den Bunker aufzusuchen. Und so rückt zunächst auch die Atmosphäre des Bunkers in den Vordergrund: Es ist kalt; zunächst angenehm kalt, bedenkt man die schweißtreibenden Temperaturen draußen. Die Gänge, die man erforschen kann, sind scheinbar unsystematisch angelegt, eine Treppe führt vor eine massive Steinwand. Ich fühle mich wie in einem Labyrinth. Obwohl durchaus andere Besucher anwesend sind, steht man immer wieder ganz alleine, ohne jemanden zu sehen. Und obwohl man wirklich nur wenige Meter tief in den Weinberg vordringen kann, erahnt man doch die unheimliche Tiefe der Anlage durch die Absperrungen hindurch.
 Als Kunst sind dann auch zwei sehr atmosphärische Arbeiten vor Ort: Zunächst ein Buch von Aman Mojadidi, dass über einen Lautsprecher vorgelesen wird. Seine Stimme hallt durch den Tunnel. Man beginnt sich zu fragen, welche Geschichten hier früher erzählt wurden und welche sich an diesem Ort ereignet haben. Dennoch kommt es mir so vor, als ob sich die Installation nicht gegen den Ort durchsetzen kann. Die Frage ist: Will sie das? Mit dem white Cube wurde der Kunst ein vermeintlich ideologiefreier Schutzraum gegeben, wenn Künstler also andernorts ausstellen, sollten sie ihn nicht als White Cube denken, sondern ihr Werk auf den Ort beziehen. Somit denke ich, dass die Atmosphäre des Bunkers - wenn auch ohne des Kunstwerk vorhanden - zum Kunstwerk gehört und dieses sie nur um eine neue Note berreichert.
Auch im zweiten Teil des Bunkers findet sich eine Arbeit, die man zunächst hört. Das was man hört, erinnert wage an Musik, ist aber gleichzeitig ungemein befremdlich. Erreicht man schließlich die Videowand, sieht man eine Musikerin auf dem ältesten Instrument der Welt spielen: einer Knochenflöte. Der zweite Protagonist des Videos ist allerdings - auch wenn man ihn nicht hört - noch viel beeindruckender. Ein Geier - aus dessen Vorfahr Knochen die Flöte hergestellt wurde - lauscht der Musik und beobachtet die Musikerin:
Der Blick dieses Vogels ist so fremd, so kalt und doch so vertraut. Man meint, man müsse ihn deuten können und doch sind Vögel für uns unnahbar. Und ich habe vor fast dreißig Tagen in diesem Blog schon einmal Rilke zitiert, aber hier passt es erneut:
da ist keine Stelle, die dich nicht sieht
du musst dein Leben ändern

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen